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(c) KiderleMünchen – Das dänische Historiendrama "Unruly" ist der diesjährige Gewinner des Fritz-Gerlich-Preises. In Abwesenheit von Regisseurin Malou Reymann überreichte Kardinal Reinhard Marx die Auszeichnung an Diana Iljine, Festivalleiterin des Filmfests München. Der Preis wird im Gedenken an den katholischen Journalisten Fritz Gerlich (1883-1934) verliehen. Gerlich stellte sich Anfang der 1930er-Jahre als Herausgeber der Wochenzeitung "Der gerade Weg" entschieden gegen den Nationalsozialismus, wurde 1933 nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler verhaftet und am 30. Juni 1934 im Konzentrationslager Dachau ermordet.

Der nach ihm benannte Preis wird von der katholischen Filmproduktionsfirma Tellux gestiftet und ist mit 10.000 Euro dotiert, 2023 fand die Verleihung zum elften Mal statt. Prämiert wird jedes Jahr ein Film aus dem Programm des Filmfests München, der sich für mehr Menschlichkeit und gegen Diktatur, Intoleranz und Verfolgung ausspricht.

Unseliges Kapitel der dänischen Geschichte

An Intoleranz und Verfolgung wird den Zuschauern in "Unruly" Einiges zugemutet. Reymanns zweiter Spielfilm spielt in den 1930er-Jahren und erinnert an ein unseliges Kapitel in der dänischen Geschichte. Die 17-jährige Hauptfigur Maren führt ein freimütiges Leben, amüsiert sich mit Tanz, Alkohol und Männern und verliert als Folge davon ihre Arbeitsstelle. Das reicht bereits für eine behördliche Einweisung wegen "unmoralischen Lebenswandels" in eine Besserungsanstalt auf der kleinen Insel Sprogo.

Reymann erzählt ohne Verharmlosung von dieser Einrichtung, die es von 1923 bis 1961 tatsächlich gab. Maren gilt wie die anderen Bewohnerinnen offiziell als "geistig behindert" und soll an dem abgeschiedenen Ort eine "anständige" Frau werden. Zwar leistet sie erbitterten Widerstand, doch die Leiterin der Anstalt und der verantwortliche Arzt wenden drakonische Strafmaßnahmen an. Zudem versuchen sie, die jungen Frauen auch gegeneinander auszuspielen. Doch Maren findet auch Verbündete. Der Wille, von Sprogo zu entkommen, lässt sich trotz allem nicht brechen.

"Hochaktueller" Streifen

Die Jury lobte die Botschaft des Films als hochaktuell: "'Unruly' führt eindringlich vor Augen, wohin ein Menschenbild führt, das ausschließlich auf Optimierung und technische Machbarkeit fokussiert ist." Der Film zeige, wie stark die Kräfte eines solchen Systems seien, das auch die Opfer selbst benutze, um sich zu stabilisieren, und Protest gnadenlos unterdrücke.

Zugleich führe "Unruly" aber auch vor, dass Menschen selbst in einem solchen System die Kraft finden könnten, für ihr großes Ziel unendlich viel auf sich zu nehmen. Der Film sei "geradezu ein Appell, Dinge niemals hinzunehmen, wenn der eigene Gerechtigkeitssinn dies verlangt", erklärte die Jury.

So tief "Unruly" in das frauenfeindliche System eintaucht, in dem als letzte Maßregelung sogar die Zwangssterilisation droht, walzt der Film die Grausamkeit nicht aus. Auch die Negativfiguren der Anstaltsleiterin und des Arztes sind keine platten Filmschurken, sondern in ihren verbohrten Ansichten durchaus realitätsnah gehalten. Reymann kommt es vor allem auf die Gemeinschaft der Frauen an, ihr geteiltes Schicksal, ihre Träume und Gefühle.

Kein konventionelles Happy End

Neben Maren konzentriert sich die Handlung auf ihre Leidensgenossin Sorine, die bereits sechs Jahre in der Anstalt lebt. Sorine klammert sich anfangs noch an die Illusion, durch die Kooperation mit der Leiterin wieder zu einem normalen Leben gelangen zu können und mit ihrer Tochter wiedervereint zu werden. So hintertreibt sie erst Marens Rebellion, muss aber einsehen, dass sich ihre eigene Situation durch diese Hilfsdienste für die Anstalt keineswegs bessert.

Einfühlsam beschreibt Reymann die Annäherung der jungen Frauen, die schließlich zusammen einen Fluchtplan entwickeln. Doch der Realismus des filmischen Ansatzes lässt kein konventionelles Happy End zu, die Hoffnung an einen guten Ausgang für alle Figuren erfüllt sich zwangsläufig nicht. Am Ende bleibt nur, sich mit denen zu freuen, die überlebt haben, nicht gebrochen worden sind und sich trotzdem ihren eigenen Willen erhalten haben. (Marius Nobach/kna)